Viel früher als mit den eigenen AGB kann man im B2B-Bereich keine Fehler machen!

Rechtssichere AGBs – oder Fehler lieben Frühstarts

Oliver Schaeben
Oliver Schaeben, Geschäftführer mediasecur Beratungsgesellschaft mbH

Alles, was im Kern falsch ist: Formulierungen, fehlende oder überflüssige Regulierungen, Zugeständnisse an Fristen und Qualität – fliegt Ihnen im Streitfall um die Ohren. Es reicht schon, dass die AGB Ihres Kunden nur aktueller sind als Ihre eigenen, und jedes Gericht orientiert sich am Material der Gegenseite. Oliver Schaeben* erläutert die aktuelle Situation.

Machen wir es kurz: rechtssichere aktuelle AGB, bzw. „Allgemeinen Bearbeitungs- und Lieferbedingungen“ sollten im Jahr 2023 deutlich über den Umfang einer DIN A4-Seite hinausgehen. Und dies gilt auch für die „Allgemeinen Einkaufsbedingungen“ die von Fall zu Fall ähnlich umfangreich sind. Anders geht es auch nicht. Die Zeiten sind vorbei, in denen das Argument funktionierte: „Das liest doch eh keiner!“

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Nach Gründen suchen

Vielleicht haben ja auch Sie, wie so viele Verantwortliche in Druckereien die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass insbesondere Groß-Kunden immer häufiger nur nach Gründen suchen, um ein Produkt zu reklamieren und einen Preis-Nachlass oder gar den Verzicht auf Bezahlung einzufordern. Und die hierfür verantwortlichen Abteilungen sind zu diesem Zwecke sogar besonders geschult. Die kennen die Passagen, auf die zu achten ist, wenn man dem Zulieferanten eine Pflichtverletzung nachweisen will. Das muss mit dem eigentlichen Auftrag oder Produkt gar nichts zu tun haben.

Wussten Sie z.B., dass sie als Auftraggeber von Zulieferbetrieben selbst verpflichtet sind, dafür zu sorgen, bzw. zumindest sicherzustellen, dass dieser einen Mindestlohn an wiederum seine Mitarbeiter/innen zahlt?

Nun fragt sich der geneigte Leser, was das Eine mit dem Anderen zu tun hat? Nun, angenommen, Sie erhalten einen Auftrag von einem Unternehmen, dass in seinen Einkaufsbedingungen festgelegt hat, dass sämtliche Zulieferanten eben darauf zu achten haben, dass durch die gesamte Wertschöpfungskette eines Produktes die Firmen Mindestlohn zahlen. Dieser Kunde stellt nun fest, dass das bei einem der Subunternehmen Ihrer Firma nicht der Fall ist. Dann kann dieser Kunde Ihnen mit Fug und Recht sagen, dass er den Auftrag gar nicht an Sie hätte vergeben dürfen, bzw. Sie ihn nach Lektüre seiner AGB gar nicht hätten annehmen dürfen. Und? Also zieht er den Auftrag zurück und fragt Sie, wann er Ihnen am besten die 12.000 Faltschachteln zurückschicken soll, die Sie bereits geliefert haben?

Sie glauben nicht, dass so etwas vorkommen kann?

Sie glauben nicht, was ich dachte, welche Fälle von Reklamationen es eigentlich nicht geben kann… Und? Ich habe diese Fälle längst noch nicht alle erlebt, da bin ich mir sicher!

Hand aufs Herz, liebe Leser, wissen Sie, wo die AGB Ihres Betriebes ursprünglich herstammen? Sie würden sich wundern, wie viele – durchaus auch größere – Betriebe, tatsächlich und ganz ursprünglich einfach die AGB von Marktbegleitern abgetippt und im Detail an die eigene Firma angepasst haben. Und dann sind die „fertig“ und begleiten das Unternehmen teilweise über Jahrzehnte, ohne irgendeine Anpassung oder Aktualisierung.

Wissen Sie, wann die AGB Ihres Betriebes zuletzt auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft und entsprechend angepasst wurden? Oder anders – und ein bisschen ketzerischer – gefragt: passen Ihre AGB auch auf die Rückseite Ihres Briefpapiers?

Die üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind die „Allwetter-Reifen“ – der Versuch, sämtlichen Bedingungen ohne großen Aufwand gewachsen zu sein. Wer sicher und angepasst unterwegs sein möchte, fährt besser mit den „Sommerreifen“, nämlich Allgemeine Bearbeitungs- und Lieferbedingungen – und den „Winterreifen“, den Allgemeinen Einkaufsbedingungen – und wechselt, wenn es angesagt ist. Eines vorab: in unserem Haus sind keine „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ bekannt, die in ihrer bekannten Knappheit sowohl in Richtung Kunden als auch in Richtung Lieferanten bei allen Aspekten eines Geschäftsbetriebes eine belastbare Rechtssicherheit bieten – Punkt.

Gesonderte Bedingungen

Um eben dies zu erreichen, sollte jedes Unternehmen der grafischen Industrie in gesonderte „Allgemeinen Bearbeitungs- und Lieferbedingungen“ (ABL) und gesondert zu betrachtenden „Allgemeinen Einkaufsbedingungen“ (AEB) investieren.

Die althergebrachten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ sollen das „Schweizer Messer“ der betrieblichen Rechtsliteratur sein. Hier wurde in Zeiten des Durchschreibesatzes auf der Rückseite der Rechnung versucht – und wird nach wie vor versucht – möglichst verdichtet, die Modalitäten zum Verkauf und Einkauf des Betriebes zu regeln und abzudecken. Mit den herkömmlichen (und dankeswerterweise längst nicht mehr „üblichen“) Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfügt der Betrieb über ein Dokument, in dem beschrieben wird, zu welchen Konditionen er seine Leistungen und Produkte anbieten möchte, soll heißen: wer macht mit wem zu welchen Bedingungen ein Geschäft – fertig.

Die Allgemeinen Bearbeitungs- und Lieferbedingungen (ABL) decken sämtliche Parameter entlang der Wertschöpfungskette eines fertigenden Betriebes ab. Hier geht es also um mehr als den „Geltungsbereich“, „Zahlungsbedingungen“ und „Eigentumsvorbehalt“. Anders als das „Schweizer Messer“, die meist noch gängigen AGB. Im Dschungel der Paragrafen, Formulierungen, Verträge und Vereinbarungen sind die ABL die „Machete“, mit etwas weniger leistungsfähigem Material kommen Sie ansonsten nicht weit.

*Oliver Schaeben ist Geschäftsführer und Impulsgeber der mediasecur Beratungsgesellschaft mbH. Seit über 20 Jahren ist sein Unternehmen auf die Beratung von Druckerei-Betrieben, insbesondere aus dem Etiketten- und Verpackungs-Druck, in Sachen „wirksamer Schutz bei mangel- oder schadhaften Produkten“ spezialisiert. Er ist Autor des Buches “Vorher schlauer sein”. In diesem Buch präsentiert er eine Vielzahl von Tipps rund das Problemfeld Verträge. Weitere Informationen: https://www.etiketten-labels.com/dm-native-advert/hinterher-ist-man-immer-schlauer/