Ökologie & Nachhaltigkeit

Emissionsgutschriften – Management der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks

Quelle: Shutterstock
Quelle: Shutterstock

Zug um Zug wird das Erfassen und Reduzieren von Emissionen, wie in den vergangenen Artikeln dieser Serie diskutiert, auch vom Gesetzgeber eingefordert. Natürlich steht bei der Reduktion des CO2-Fußabdrucks das Vermeiden von Emissionen und der Ersatz von Prozessen und Materialien im Vordergrund. Von Dr. Michael Has*

Da bei der Herstellung von dinglichen Produkten die Emissionen aus der Lieferkette in der Regel die größte Rolle spielen, bleibt vielfach nichts anderes übrig, als der Reduktionsstrategie eine Strategie zum Ausgleich von Emissionen, die eben nicht eingespart werden konnten, zur Seite zu stellen – d.h. ein Ausgleichsprojekt bzw. dessen Aktivitäten werden zu den Aktivitäten des Unternehmens/Produktes gezählt, so dass der negative Fußabdruck den positiven ausgleicht.

Anzeige

Im Folgenden werden daher drei Aspekte von Carbon Credits diskutiert:

  • das Management von Ausgleichsprojekten (Carbon Credit Projekten) und damit zu erwerbende Emissionsgutschriften und deren Finanzierung
  • Preise und Projekttypen von Ausgleichszahlungen für Treibhausgasproduktion
  • Fragen zur Effizienz von Carbon Credit Projekten

“Derzeit werden etwa 90 % der gehandelten Kompensationen nicht für die Beseitigung von Kohlenstoff, sondern für die Vermeidung seiner Freisetzung verwendet.”

Wie erwähnt ist das Ziel von Carbon Credit Projekten grundsätzlich der Ausgleich der eigenen Emissionen – vor allem in dem Fall, dass ein Unternehmen sich eine Netto-Null als Ziel gesetzt hat, dieses Ziel aber durch eigene Aktivitäten oder solche in der Lieferkette nicht erreichen kann. Carbon Credit Projekte zielen damit auf den Einsatz von externen Aktivitäten und Technologien, die CO2 aus der Luft entnehmen oder den bestehenden Bedarf nach Energie emissionsfrei bedienen. Derzeit werden etwa 90 % der gehandelten Kompensationen nicht für die Beseitigung von Kohlenstoff, sondern für die Vermeidung seiner Freisetzung verwendet.

Jede Menge CO2 binden

Entsprechende Projekte setzen auf zum Beispiel auf die direkte chemische Extraktion von CO2 aus der Luft z.B. über das Pflanzen von Bäumen und Seegras bis hin zum Impfen der Ozeane mit Eisen, um das Wachstum Phytoplankton anzuregen. Wie notwendig dennoch die Reduktion der produkt- und produktionsbedingten Emissionsreduktion ist, lässt sich daran bemessen, dass selbst bei einer vollständigen Dekarbonisierung jedes Jahr eine Menge an CO2 gebunden werden muss, die der gesamten jährlichen Nahrungsmittel- oder Betonproduktion der Erde entspricht.

“Die Effizienz der Maßnahmen, die zur Kohlenstoffkompensation als Dienstleistungen angeboten werden, ist nicht selbsterklärend oder für alle Verfahren gleich.”

Die betriebliche Praxis

Die betriebliche Praxis der CO2-Kompensation ist etwa die Folgende: Ein Unternehmen hat ein CO2-Assessment erarbeitet. Ein Modell für eine Ökobilanz wurde gemäß der entsprechenden ISO-Normen entwickelt. Es liegt eine erste genauere Schätzung oder Berechnung für die Größenordnung der zu erwartenden Treibhausgasemissionen vor.

Wenn das Unternehmen selbst oder in der Lieferkette erzeugte Emissionen reduzieren will, versucht es vernünftigerweise zunächst die internen Emitter zu ermitteln und deren Emissionen zu reduzieren. Dem sind aber häufig Grenzen gesetzt und das Ziel zu einer ausgeglichenen Bilanz zu kommen – also einer Netto-Null-Situation – kann häufig nicht erreicht werden. Je nach Unternehmensstrategie und gesetzlichen Vorgaben kann es vernünftig sein, den unvermeidbaren Emissionen negative Emissionen gegenüberzustellen, damit eine ausgeglichene Bilanz entsteht. Projekte dieser Art findet man auf einschlägigen Webseiten (siehe z.B. www.8billiontrees.com oder https://www.iif.com/Portals/1/Files/TSVCM_Report.pdf). [Hierfür könnte ein QR-Code am Rand stehen] Die Preise bewegen sich zwischen 0.3 und mehr als 20 €/t eq CO2.

Betriebsinterne Allokation – zentrale Rechnungsstelle

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht und für ein größeres Unternehmen erscheint es sinnvoll, eine zentrale interne Stelle/Abteilung für den Handel mit Emissionsgutschriften und damit verbundenen Optionen einzurichten. Die Aufgabe des entsprechenden Teams ist es

  • Carbon Credits und Optionen zu kaufen
  • die interne Verteilung der Credits zu organisieren
  • zeitabhängige Optionen und Carbon Credits rechtzeitig zu verkaufen
  • den Kunden und Geschäftspartnern für ihren Teil der Wertschöpfungskette entsprechende Dienstleistungen anzubieten
  • Anbieten von entsprechenden Dienstleistungen auf dem Markt
  • Prüfung der entsprechenden Projekte und Kontrolle der ESRS-Berichterstattung der Projekte, von denen die Gutschriften gekauft werden
  • zum richtigen Zeitpunkt Optionen gegen Carbon Credits zu handeln

Wofür werden Emissionszertifikate gehandelt?

Es gibt verschiedene Arten von Produkten, die in diesem Zusammenhang verkauft werden. Zudem gibt es Zertifikate und Optionen. Optionen sind offensichtlich billiger zu erwerben. Beide, Optionen und Zertifikate, sollten aber:

  • an einen bestimmten Zeitrahmen gebunden sein
  • von einer externen Partei oder einem Käufer geprüft und auditiert werden können
  • genaue Zahlen für Footprints angeben – und auch einen Fehler, der mit diesen Zahlen einhergeht
  • den Zugang zu einer ESRS-Berichterstattung (oder vergleichbar) pro Produkt ermöglichen
  • einen klaren Fokus auf Ziele, Aktivitäten und implementierte Methoden bieten

“Die Menge an Kohlenstoffkompensationen muss im Vergleich zu heute um mindestens das 15-fache ansteigen, um den für 2030 prognostizierten Bedarf an Kohlenstoffkompensationen in Höhe von 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zu decken.”

Garantien und Audits

Wie angedeutet ist die Werthaltigkeit der Angebote zur Kompensation gelegentlich unklar – dadurch wird die Prüfung der entsprechenden Angebote im Eigeninteresse nötig – Garantien und Audits müssen sicherstellen, dass

  • die angegebene Kohlenstoffmenge zumindest für den angegebenen Zeitraum zuverlässig entfernt wird
  • keine unerwarteten Nebenwirkungen und andere Probleme auftauchen (ein Risikoausgleich in die Bepreisung eingeflossen ist)
  • Unsicherheiten der Methoden und deren Einsatz regelmäßig geprüft und das Ergebnis der Prüfung offengelegt werden.

Effizienz von Carbon Credits

Wie angedeutet, tragen viele Kompensationen wenig zur langfristigen Senkung des CO2-Gehalts in der Luft bei. Die Effizienz ist häufig abhängig vom Zeithorizont der entsprechenden Maßnahme – langfristige Speicherung ist wahrscheinlich am ehesten mit geologischen Reservoiren oder chemischen Speichertechniken realisierbar, während biologische Speicherung häufig komplizierter in in kleineren Projekten zu handhaben ist – solche Lösungen sind offenbar seit Jahrhunderten etabliert und daher gut handhabbar.

Die Effizienz der Maßnahmen, die zur Kohlenstoffkompensation als Dienstleistungen angeboten werden, ist nicht selbsterklärend oder für alle Verfahren gleich – insbesondere nicht für die Reduktion des einmal in die Atmosphäre gelangten CO2 oder anderer Treibhausgase. Zudem geht man derzeit davon aus, dass die Menge an Kohlenstoffkompensationen im Vergleich zu heute um mindestens das 15-fache ansteigen muss, um den für 2030 prognostizierten Bedarf an Kohlenstoffkompensationen in Höhe von 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zu decken.

Skepsis ist angebracht

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Carbon Credits mit zum Instrumentarium von Betrieben beim Management von CO2 Emissionen gehören. Dennoch ist eine gewisse Skepsis bei der Auswahl der entsprechenden Projekte angebracht, da deren Wirksamkeit, insbesondere die langfristige Effizienz immer wieder in Frage zu stellen ist.

Da Geldmittel in Betrieben begrenzt sind und auch Maßnahmen zur Umstellung der Produktion Investitionen erforderlich sind, stehen interne Maßnahmen und Carbon Credits in Konkurrenz. Natürlich ist es einfacher Gelder in Carbon Credits statt in die nötige Veränderung von Lieferketten, Materialien, Methoden und Technologie zu investieren. Jedoch, wenn das der Fall ist, werden den wirksamsten und vielversprechendsten Methoden zur CO2-Reduktion absehbar zumindest ein Teil der nötigen Mittel entzogen, was sich letztlich als kontraproduktiv herausstellen kann.

*Dr. Michael Has ist promovierter Physiker. Nach der Promotion war er in der FOGRA für Innovationsforschung und Vorstufentechnik verantwortlich. Bei Océ bzw. Canon bekleidete er Positionen in Forschung und Entwicklung, dem Management und der Strategischen Planung. Dr. Has ist seit 1998 Distinguished Professor an der Universität Grenoble.