Kempa lässt alten Brauch des Druckgewerbes aufleben
von Redaktion Etiketten-Labels,
Gautschmeister Heinz Haffki (rechts) erklärt den Ablauf, die beiden Kornuten Daniel Scheuenstuhl und René Cireddu stehen mit den Packern bereit (Quelle: Herbert Bauer)
Gautschen ist ein heutzutage leider selten praktizierter und bis ins 16. Jahrhundert rückverfolgbarer Berufsbrauch der Buchdrucker, der später bei den Berufen der Schriftsetzer und der Drucker Anwendung fand. Angelehnt ist der Begriff an einen Vorgang bei der Papierherstellung, in seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der Begriff „Gautschen“ den ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen des Papiers.
Wieder aufleben lassen
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Die Feuchter Firma Kempa-Etiketten hat am vergangenen Freitag diesen Brauch der Druckerbranche wieder aufleben lassen. Er ist eigentlich ein Freisprechungsritual für Lehrlinge nach bestandener Abschlussprüfung, bei dem sie in eine Bütte oder auf einen nassen Schwamm getaucht werden, um ihre “Lehrlingssünden” abzuwaschen. Heutzutage werden sogar Mediengestalter noch gegautscht, obschon sie alltäglich nicht mehr mit Druckerschwärze in Berührung kommen. Und es soll Betriebe geben, die einen neuen Mitarbeiter bei Stellenantritt nach seinem Gautschbrief fragen – und sofern er keinen vorweisen kann, muss das Gautschen nachgeholt werden.
Nun sind Renè Cireddu und Daniel Scheuenstuhl keine frisch ausgelernten Auszubildende, sondern haben ihre Ausbildung zum Medientechnologen Druck bzw. Medientechnologen Offsetdruck bereits vor etlichen Jahren erfolgreich abgeschlossen. Da bei ihren damaligen Arbeitgebern dieser alte Brauch des Gautschens nicht praktiziert wurde, beschlossen Ralf und UIf Kempa, dies für ihre beiden Mitarbeiter nachzuholen und so eine gute Tradition in ihrem renommierten Familienbetrieb wieder fortzuführen.
Üblicherweise lautet der Text auf einem Gautschbrief wie folgt: „Lasst seinen Corpus posteriorum fallen auf diesen nassen Schwamm, bis triefen beide Ballen. Der durst’gen Seele ein Sturzbad obendrauf – Das ist dem Sohne Gutenbergs die allerbeste Taufe.“ Mit seiner Überreichung dokumentiert er den neuen Status des Druckers als vollwertiges Mitglied der Berufsgemeinschaft.
Komplett durchnässt nehmen die Kornuten nach dem Schluck aus dem Bierkrug den letzten Klapps des Gautschmeisters entgegen, ehe sie ihre Urkunde erhalten (Quelle: Herbert Bauer)
Zur Tat geschritten
Nach einem geschichtlichen Rückblick erläuterte der Gautschmeister Heinz Haffki Ablauf und beruflichen Hintergrund des Brauchs und der Zeremonie und schritt dann mit Fahnenträger und seinen Helfern („Packern“) zur Tat.
Erst einmal wurden die gefesselten Kornuten (Gäutschlinge) von ihren Fesseln der Lehrzeit befreit. Anschließend wäre eigentlich das Sitzen auf dem nassen Schwamm an der Reihe gewesen, die Packer wollten die Kornuten aber offensichtlich überraschen und warfen sie sofort in das prall gefüllte Wasserbecken. Triefend vor Nässe gehörten dann der obligatorische Schluck aus dem Bierkrug und ein letzter Klaps des Gautschmeisters für die „Sünden“ in der Lehrzeit zum ordnungsgemäßen Ablauf der Zeremonie, zu der der Gautschmeister kundtat: „Hier wird den jungen Gsellen ein reinigend Bad bereitet, dass mit Wasser getilget werd aller Lehrbuben Misere und Beschwerd, so über kund gewordene Missetaten ehrsame Meister in heiligen Zorn geraten…. Auch dass sie nicht fallen in Saufen und Prassen, das sollen sie füglich den Alten lassen. Auch dass sie nit in Intrigen geraten als Lästermäuler und Teufelsbraten…. So taufen wir sie denn in Gutenbergs Namen in diesem zunftgetreuen und würdigen Rahmen zu ehrsamen Jüngern des Buchdrucker-Handwerks.“
Angesichts der etwas kühlen Temperaturen durften sich die durchnässten Kornuten dann umziehen und nahmen mit allen anderen Gästen der Zeremonie an der Betriebsfeier der Firma Kempa mit ihren Beschäftigten und deren Angehörigen teil. Auch dies ein deutliches Zeichen eines intakten Betriebsklimas in einem Familienunternehmen, das sich bei aller moderner Ausrichtung auch der Tradition verpflichtet sieht.